Selbstversuch: Eingeklemmt im Autowrack
RETTUNGSÜBUNG ST-Mitarbeiterin Yvonne Mahnert beim realistischen Unfallszenario im umgekippten Wagen.
Von Yvonne Mahnert
(c) Christian Beier/Solinger Tageblatt
„Yvonne, hören Sie mich? Wir drehen Sie jetzt langsam und ziehen Sie dann aus dem Auto.“ Während ein Rettungsteam, bestehend aus Sanitätern, Feuerwehr- und Organisationskräften, meine Rettung stemmte, hing ich am Samstag im Industriegebiet Dycker Feld als Unfallopfer kopfüber in einem auf dem Dach liegenden Pkw, der sich mehrfach überschlagen hatte. Überall Glassplitter, der Geruch von Benzin und ich mittendrin: Die Beine noch verkantet im Fußraum des Fahrersitzes, war ich über dem Lenkrad eingeklemmt.
Der schwere Verkehrsunfall ist ein tatsächlich nachgestelltes Übungsszenario der Freiwilligen Feuerwehr Gräfrath und des Deutschen Roten Kreuzes, bei dem Sebastian Meya, Aniela Honig und ich die Unfallopfer spielten. Das Auto wurde am Abend vorher „in Szene gesetzt“, wir sind erst im Nachhinein hineingekrabbelt. Meine Mitspieler, beide schon seit acht Jahren erfahren, wussten, was sie erwartet.
(c) Christian Beier/Solinger Tageblatt
Wie auf Kommando begann Sebastian lautstark über die Schmerzen zu schreien, die er wegen des offenen Oberschenkelbruchs mit Durchspießung hatte. Während wir als Opfer, die Initiatoren Richard Max (Feuerwehr) und Simon Puslat (Bereitschaftsleiter Rettungsdienst) sowie der Leiter der realistischen Unfalldarstellung, Christian Fellner, in das Geschehen eingeweiht waren, wussten die gut 35 Einsatzkräfte nicht, was auf sie zukam. „Solch ein Übungseinsatz dient der fachmäßigen Versorgung der Verletzten, prüft in erster Linie jedoch die Kommunikation der Einsatzkräfte“, erläuterten die Initiatoren: Wer macht was in welcher Reihenfolge? Welche Krankenhäuser können mit wie viel Opfern angefahren werden?
Es ist wichtig, den Überblick zu behalten
Dabei erschweren die zunehmende Geräuschkulisse und das allgemeine Gewusel den Überblick, berichteten Organisator Thomas Machenbach und Notärztin Elena Ziegler.
(c) Christian Beier/Solinger Tageblatt
Von alledem habe ich kaum etwas mitbekommen. Immer wieder fragte Sanitäterin Julia Röltgen nach mir, kümmerte sich mit Wärmedecke um meine mittlerweile auch realen Schmerzen: Von der komplizierten Haltung tat mir der Rücken allmählich weh, und das Knie klemmte im Lenkrad. Ich musste feststellen, wie schwer es für Unfallopfer ist, 60 Minuten verkeilt im Auto zu hängen und das eigene Schicksal in fremde Hände zu legen.
Die Initiatoren der waren am Ende zufrieden. „Es fand ein regelgerechter Ablauf statt. Lediglich die Absprachen und einige Dinge in der Technik können optimiert werden“, zogen sie Bilanz. Und ich selbst? Ich bin beeindruckt von dem organisatorischen Aufwand, den solch ein Rettungseinsatz erfordert. Nachdem ich aus dem Auto befreit war, sah ich die Leitern, Strickseile und technischen Geräte, die die vielen Helfer schon wieder einzusammeln begannen.
ÜBUNGEN
FEUERWEHR UND DRK veranstalten regelmäßig Übungen. „Einmal pro Jahr ist eine Großübung mit mindestens 50 Verletzten“, erklärt Christian Fellner, Leiter der realistischen Unfalldarstellung beim DRK.MIMEN Die Mimen werden vorher geschminkt und für das richtige Verhalten über die Verletzung aufgeklärt.
Absprache zwischen Helfern kann Leben retten
VON ALEXANDER RIEDEL – zuletzt aktualisiert: 15.04.2013
Solingen (RP).ÜBUNG IN GRÄFRATH
35 Einsatzkräfte beteiligt
Übungen DRK und Freiwillige Feuerwehr treffen sich etwa ein bis zwei Mal im Jahr für gemeinsame Übungen.
Am vergangenen Samstag waren insgesamt 35 Einsatzkräfte, davon 15 vom DRK und 20 von der Freiwilligen Feuerwehr, beteiligt. Die Ergebnisse werden anhand von Beobachtungen, Fotos und Videoaufnahmen in den nächsten Tagen ausgewertet.
Die Freiwillige Feuerwehr Gräfrath und das Deutsche Rote Kreuz befassten sich im Rahmen einer gemeinsamen Übung am Samstag mit zwei Unfallszenarien.
Der Sekundenschlaf hat fatale Folgen: Das Auto mit drei Insassen kommt am Lindgesfeld von der Fahrbahn ab, rollt einen Abhang hinunter, überschlägt sich und bleibt auf dem Dach liegen. Während ein junger Mann auf dem Rücksitz um Hilfe schreit, liegt die Beifahrerin regungslos im Gebüsch – sie wurde beim Unfall aus dem Fahrzeug geschleudert.
Dieses erschreckende Szenario hatten Richard Max von der Solinger Berufsfeuerwehr und Simon Puslat vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) für die gemeinsame Übung von Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr Gräfrath und des DRK erdacht.
„Wir wollen damit vor allem die Kommunikation zwischen den Einsatzkräften am Unfallort üben“, erklärt Puslat. Klare Absprachen, ein ruhiger, klarer Ton und die Einhaltung von Hierarchien in der Organisation seien von großer Bedeutung, betont er.
Die Einsatzkräfte trafen sich am Samstagmorgen in der Halle der Löschgruppe 6 am Brandteich in Gräfrath. Nachdem die Übungsleiter um Punkt 9.47 Uhr den Alarm auslösten, ging es mit insgesamt zehn Einsatzwagen zum Unfallort ins Industriegebiet Dycker Feld. Dort müssen sich die Helfer, die über den Hergang des Geschehens bewusst im Unklaren gelassen wurden, erst orientieren: „Wie viele Leute waren im Auto?“ lautet eine der ersten Fragen, die die Rettungskräfte an zwei eingeklemmte Insassen des Unfallwagens richten.
„Hier ist noch einer!“ ruft der Einsatzleiter unterdessen, nachdem er die Umgebung untersucht hat. So stapfen Notärztin und Sanitäter durch Dornengestrüpp zu der Stelle, an der das dritte Opfer des Unfalls liegt.
„Wer aus dem Auto geschleudert wird, gehört meist zu den Schwerstverletzten“, betont DRK-Mitarbeiter Ralf Elke. Die Rettungskräfte verabreichen der jungen Frau, die wie die anderen Verunglückten von einer professionellen Verletztendarstellerin gespielt wird, eine Infusion und bereiten sie schließlich für den Transport ins Städtische Klinikum vor.
Nachdem die Feuerwehrleute mit Leitern das Auto vor dem weiteren Abrutschen auf dem abschüssigen Gelände bewahrt haben, befreien sie die anderen Verletzten aus dem Autowrack, indem sie die Türen herausschneiden. Der Einsatz ist nach einer guten Stunde vorüber. „Das ist auch das Ziel gewesen“, sagt Richard Max zufrieden.
Nach einer Mittagspause müssen sich die Einsatzkräfte mit einem weiteren Unfallszenario befassen: Im Industriegebiet Piepersberg haben die Übungsleiter einen Frontalzusammenprall zweier Autos simuliert, bei dem auch ein Passant angefahren wurde. „Wir haben mit dem Szenario am Lindgesfeld bewusst einen eher selteneren Fall und mit der Situation am Piepersberg ein häufiges Unfallgeschehen zum Üben konstruiert“, sagt Simon Puslat.
Letztlich retten die Einsatzkräfte alle Verletzten. „Beim zweiten Mal haben die Teilnehmer ein paar Schwächen in der Kommunikation, die uns im ersten Szenario aufgefallen sind, abgestellt“, lobt Richard Max.